Es gibt im Leben eines Redakteurs immer wieder Momente, da kratzt man sich verwundert am Kopf und fragt sich, warum ein neues Album nicht viel mehr Aufmerksamkeit bekommt. Ein solcher Fal liegt mir nun mit “Infinite Imaginations” vor, mit dem die Polen ANIMATE schon vor einigen Wochen ihren Einstand gegeben haben. Dennoch ist über den Erstling der Grenzgänger zwischen Prog Rock und Metal in Sachen Rezensionen oder sonstigen Informationen kaum etwas zu finden. Aus der Marketing-Perspektive sicher nicht ideal, andererseits kann so die Musik des Quartetts für sich sprechen.
Und die hat es in sich, immerhin ist schon der Opener ‘Threshold’ ein absoluter Prog-Leckerbissen, der mit massiven Riffs, tollen Soli und geschackvollen Keyboards auftrumpft, wobei gerade letztgenannte der Nummer eine wohltuende Portion Epik verpassen. Trotz der technisch überragenden Darbietung der Instrumentalisten ist aber Sänger Robert Robin Niemiec der Star der Show und führt mit seiner herausragenden Stimme Hörer und Hörerinnen durch die fünfminütige Spielzeit, die in einem tollen Refrain gipfelt. ‘Force Gravity’ kann im Anschluss das hohe Niveau nicht ganz halten, was erneut nicht an der Instrumental-Fraktion liegt, die wieder eine feine Idee nach der anderen aus dem Ärmel zaubert, aber Roberts Gesangslinien wirken irgendwie etwas zu sperrig und wollen nicht so recht ins Ohr gehen. Im Vergleich dazu ist ‘Ghostmaker’ mit seinen poppigen Hooklines fast schon eine Tribut an die Eingängigkeit des AOR, wirkt aber dennoch nie belanglos wie viele Kompositionen aus diesem Bereich, sondern avanciert dankt hervorragender Solo-Sektion zu einem weiteren Highlight der Scheibe.
Weitere Ausfälle sucht man in der Folge auch glücklicherweise großteils vergeblich. Einzig ‘Back To Cold’ wirkt teilweise etwas zu bemüht fröhlich und teilt mit ‘Force Gravity’ den Hang zu sperrigen Gesangslinien, weshalb die Nummer in meinen Ohren nicht so recht funktioniert. Die übrigens Tracks sind dagegen solides bis sehr gutes Prog-Metal-Futter, dem mit dem Achtminüter ‘Pleasant Addiction’, der eine überraschend harte Metal-Kante fährt, die Krone aufgesetzt wird. Immer gut, wenn ein echtes Highlight die Spielzeit beendet und den Griff nach der Repeat-Taste einfordert.
Unter dem Strich stehen für die Polen damit drei ganz große Glanzlichter, zwei solide Nummern und zwei “Ausfälle” – wenn man überhaupt soweit gehen kann, hier von Ausfällen zu sprechen – zu Buche. Wer sich musikalisch also irgendwo zwischen DREAM THEATER und FATES WARNING wohlfühlt, der sollte hier ein Ohr riskieren. Selbst einer unvorstellbaren Vorstellungskraft würde nämlich kein Weg einfallen, wie der Vierer nicht bald deutlich mehr Aufmerksamkeit in Prog-Kreisen erregen wird.